College Sportarten

Wie ist das Leben als Student-Athlete? Interview Flo Mehlan

Steckbrief

Name: Florian Mehlan

Heimat: Moers, NRW

Uni: 2 Semester University of Bridgeport, CT. Transfer → 6 Semester Nova Southeastern University,FL

Sportart: Schwimmen (Men’s Swimming & Diving)

In den USA seit: August 2010- Juni 2014.

Am Ende der vierjährigen Collegezeit bin ich via OPT-Visum noch ein halbes Jahr bei meiner damaligen Freundin in Atlanta,GA geblieben.

Interviewfragen:

Für alle die dich nicht kennen – stell dich doch mal kurz vor!

Ich bin Florian, sportbegeisterter Typ vom Niederrhein. ich bin immer und bei jeder sportlichen Challenge dabei. Außer bei nem Marathon…

Wie kamst du auf die Idee Sportstipendium in den USA – wie und wo hattest du das erste Mal davon erfahren?

Ich schwamm zu der Zeit am Stützpunkt in Essen, mein Coach, Tobi Heinrich, erzählte mir bei nem Abendessen im Hotel vom US-Collegesportsystem und fragte, ob das nicht was für mich sei. Er selbst hat gute Kontakte und Erfahrungen in den USA gesammelt und ist ein Texas Longhorn.

Was waren deine anfänglichen Bedenken und Probleme und wie hast du es geschafft die zu beseitigen?

Ich stand dem Ganzen erstmal etwas skeptisch gegenüber, da die USA ja nicht gleich um die Ecke sind. Ich habe mich dann aber relativ erwartungsfrei ohne Druck an die Bewerbung gemacht, um mal zu schauen, was an Stipendien so drin wäre. Mit der Zeit und den damit verbundenen Recherchen habe ich dann schnell gemerkt, wie interessant ich das Ganze doch finde. Mit Tobi hatte ich immer einen 1A Ansprechpartner bei Fragen an meiner Seite.

Beschreibe kurz den Prozess und die Phase zwischen Anmeldung und Commitment. Was waren die grössten Hindernisse? Was würdest du heute anders machen?

Ich habe mich mithilfe einer Agentur beworben, die mir aufzeigte, welche Dokumente und Daten eingereicht werden müssen. Das war recht einfach. Dann habe ich angefangen für den TOEFL und SAT zu lernen. Mein TOEFL Score war damals recht bescheiden, würde ich also als ein Hindernis für mich bezeichnen.

Ich erinnere mich, dass es mir schwer fiel. die eintreffenden Offerten der verschiedenen Unis beurteilen zu können. D1, D2 und D3 Teams, private, öffentliche Unis, 5.000-50.000 Studenten, Eastcoast Westcoast. Das hat mich überfordert. So kam es, dass ich mich gegen eine recht gute Offerte der University of Notre Dame entschieden habe…  auch weil ich mich sehr von Dingen wie der geographischen Lage der Uni leiten lassen habe. Kein Wunder, wenn die US-Coaches einem am Telefon erzählen, wie cool es sei, dass man mit dem Zug “in 45min in Manhatten sein kann”, um die Uni schmackhaft zu machen. Das würde ich heute anders entscheiden. Letztendlich zählen das akademische und athletische Programm und ob das zu einem passt oder nicht. Andere Faktoren, wie geographische Lage, Größe oder Ruf der Uni würde ich heute eher zweitrangig bewerten.

Was studierst du und warum? / Hast du studiert

Auch würde ich einen anderen Studiengang wählen. Ich war sehr unentschlossen, hatte viele Interessen und wählte anfangs “General Studies”, bevor ich mich für Environmental Science, also Umweltwissenschaften, entschied, weil es mich zu der Zeit sehr interessierte. Das Thema Nachhaltigkeit interessiert mich auch heute noch. Ich habe mich aber nie mit dem Jobmarkt beschäftigt. Das hätte ich besser tun sollen… heute würde ich zu Beginn Basics, wie z.B. BWL, Psychologie oder Sportwissenschaften studieren. Das sind gute Grundlagen, auch weil viel Literatur in den Bereichen eh aus den USA kommt, somit auf Grundlage von Originalliteratur gelehrt wird. Darauf lässt sich dann super aufbauen, z.B. im Master.

Im Master in Deutschland habe ich dann an der Universität Bayreuth Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften studiert.

Erzähl doch mal von deine ersten Wochen, deinen Anfängen in den USA – dem ersten College Tag / Eindrücken usw.

Ich kam in ein Team voller internationaler Athleten. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Ich war von Tag 1 an in einem Pool von Leuten, die auch von weit her aus Europa und Co kamen, sodass gleich eine Bindung entstand. Das bestehende Team hat uns Freshmen aufgenommen wie eine Familie, wir wurden überall mit hingenommen, selbst zu den an diesem College berüchtigten Baseballparties. Tipps bzgl Umgang mit Alkohol und Cops waren eins der ersten Dinge, die uns mit an die Hand gegeben wurde. Am Ende von Tag 1 sollte ich von dem Wissen am schönen Strand Connecticuts auch gleich Gebrauch machen können. Ein guter Einstieg. Ich erinnere mich an viele Events und Get-Togethers auf dem Campus, BBQ-Feste, da war Heimweh schnell vergessen.

Dein bestes Erlebnis / deine besten Erfahrungen: – sportlich, -akademisch, -Campus life (Partys etc.)

Sportlich hat mich am Meisten der Teamspirit fasziniert. Bedingungslose Freude und Anfeuern für die Teammates. Ich werde einen Moment nie vergessen. Bei meinen ersten Conference Championships wurde am letzten Wettkampftag, im allerletzten Event unsere 4x100m Kraul-Staffel aufgrund eines Wechselfehlers disqualifiziert. Die geschwommene Zeit hätte zur Quali zu den NCAA Championships einen Monat später in Texas gereicht. Also versuchte unsere Staffel, bei der ich an Position 2 schwamm, 20 Minuten später als “Time-Trial” noch einmal diese Qualizeit zu schwimmen. Es schien unmöglich, 20min für die Regeneration sind schon sehr wenig. Da der Wettkampf nun vorbei war, war die Schwimmhalle in der Rutgers University (super Uni und Schwimmbecken) ziemlich leer geworden- bis auf ein gegnerisches Team, das zugleich die größte Mannschaft der Conference stellte. Das gesamte Team blieb (ca. 60 Leute), um uns anzufeuern. Wir waren eine kleine Uni und somit auch nicht so mannstark, wie andere Teams. Das gegnerische Team blieb, peitschte uns an. Ich fand es faszinierend und pushte mich unheimlich. Unsere Staffel schwamm eine sehr sehr gute Zeit, wir verfehlten die Quali zu den NCAA Championships nur hauchdünn. Am Ende klatschten uns alle im Spalier ab (wie bei Teamsportarten üblich) und gaben uns aufmunternde Worte mit auf den Weg. It was bitter sweet, denn diese paar Minuten mit meinem Team und den Zuschauern haben sich fest bei mir eingebrannt – Go Purple Knights!

Akademisch hat es mich gefreut, dass ich durch mein Abitur schon Credits mit ins Studium nahm. Eine beruhigende Nachricht zum Collegestart.

Zum Ende meiner Collegezeit hatten wir zwei wirklich sehr gute Schwimmer als mögliche Recruits zum Recruitingweekend da. Einer kam aus Russland, der andere aus Brasilien. Unsere Trainerin sagte, wir sollen ihnen ein unvergessliches Wochenende bescheren. Ich wohnte mit zwei Teammates in einem Haus am See (in Florida) und wir entschieden dort Samstagabend ne Party zu schmeißen. Wir hatten in dieser Nacht Glück, dass scheinbar die gesamte Nachbarschaft nicht zu Hause war, denn die Party hatte sich in allen Sportteams unserer Uni rumgesprochen und so lief die Party irgendwann völlig aus dem Ruder. Haus und Garten platzten aus allen Nähten, die Party, in unserer bis dato ruhigen Nachbarschaft, weitete sich auf Vorgarten und Straße aus… ein Glück dass an diesem Abend die Cops nicht kamen. Naja, was soll ich sagen: die beiden Recruits gaben gleich am nächsten Tag ihr Commitment in unserem Team bekannt.

Unterschiede Deutschland / USA

Ein Unterschied zu Deutschland wäre damit schon beschrieben- bedingungsloser Teamgeist in einem Einzelsport wie Schwimmen.

Natürlich muss man berücksichtigen, dass die Bedingungen dafür vor Ort andere sind, optimaler und aufeinander abgestimmt. Das Team ist der Ersatz für die Familie, die meist mehrere Tausend Kilometer entfernt ist.  Man isst, lernt, trainiert und kämpft zusammen.

Akademisch kann ich nun den Vergleich zu einer deutschen Uni ziehen und da fällt natürlich gleich auf, dass die Lernumfänge nicht an die einer deutschen Uni heranreichen. Andere Athleten haben mir das bestätigt. Mit Lernumfängen wie in Deutschland hätte ich mich dort aber auch sicherlich schwer getan. Also war es schon gut so, wie es war. Im Nachhinein würde ich das Bulimie-Lernen an deutschen Unis aber auch nicht als zwingend zielführender beschreiben. Daher sei gesagt: Akademisch ist es dort zwar leichter, dafür aber nicht automatisch schlechter. Jeder hat es in der eigenen Hand, die gebotenen akademischen Ressourcen vor Ort voll auszunutzen. Die US-Professoren sind nahbar und geben Wissen jederzeit gerne weiter- vor allem, wenn man Student-Athlete ist. US-Professoren wissen die Leistungsbereitschaft und Disziplin sehr zu schätzen und zahlen das zurück.

Was vermisst du an Deutschland?

In Deutschland habe ich -Schocker- das Brot vermisst. Leute, die länger in den USA waren/sind, wissen, was ich meine. Auch habe ich typische deutsche Innenstädte mit einem Stadtkern und Märkten vermisst. Ich habe meine Weihnachtsmarktbesuche während Christmas Break immer besonders stark genossen.

Welche Städte und Regionen hast du bisher kennengelernt und welche sind dir in besonderer Erinnerung geblieben?

Ich habe viel an der Eastcoast gesehen, dort lagen meine beiden Unis. Durch die Wettkämpfe mit dem Team bin ich bis nach Texas gekommen. Die Westcoast habe ich also leider nicht kennen gelernt. NYC ist natürlich beeindruckend und surreal, inklusive Nachtleben. Auch Fort Lauderdale, wo ich die längste Zeit studiert habe, ist ne Reise wert. Ich mochte die Leute in NYC sehr. Dort ist es bunt und kulturell verschieden, jeder kann sein, wie er will. Es scheint dort niemanden gekümmert zu haben, als ein Kerl im Spätsommer mitten auf dem Gehweg körperfrei sein Workout mit Hanteln und Zugseilen erledigte. Ich war der Einzige der stehen blieb, ihm zuschaute und es etwas sonderbar fand. Grüße an den Kerl, Teile deines Workouts habe ich mir abgeschaut. Die Blicke in Deutschland möchte ich mir gar nicht erst vorstellen haha.

Tipps und Hinweise für alle die sich für das Thema interessieren / Was würdest du anders machen mit dem Wissen, dass du jetzt hast?

Einige Dinge habe ich in Frage 4 und 5 schon beantwortet.

Ergänzend dazu würde ich heute meine deutsche “Korrektheit” evtl etwas herunterfahren. Die war nicht immer hilfreich, da Amis eher ungern Probleme ansprechen. Ich würde mich niemals verstellen, aber den ein oder anderen Disput hätte ich womöglich auch einfach gut sein lassen können. In Deutschland wäre mein direktes Ansprechen von Problemen weniger schlimm, da sagt man sich eher mal die Meinung und kann mit dem Leben fortfahren.

Abschließend würde ich bei der Rückkehr nach Deutschland versuchen, den Austausch mit deutschen Studenten, die lange in den USA waren, zu suchen, um schnell wieder in Deutschland Fuß zu fassen. Für mich war es ein Kulturschock, als ich nach 4 ½ Jahren USA wieder nach Deutschland kam. Das gesamte Umfeld, Freunde, die amerikanische lockere Denkweise und das tolle Sportsystem waren von ein auf den anderen Tag weit weit weg. Mir fiel der Übergang alles andere als leicht, und hätte mit dem heutigen Wissen gerne ein paar Mentoren an meiner Seite gehabt, die das erlebt und gemeistert haben. Diesen Schritt zurück in die Heimat und was er bedeutet, hatte ich unterschätzt und darauf war ich nicht vorbereitet.

Abschliessende Worte

Wenn du die Chance auf ein Stipendium in den USA hast, go for it! Die Erfahrungen werden einen in vielerlei Hinsicht bereichern. Und mal ganz ehrlich, wieso sollte man es nicht versuchen!? What’s the worst that can happen!?

Schnellfragerunde:

– Grosse oder kleine Uni? Ich war an kleineren Unis, daher große Uni mit College Football.

– Küste oder Berge? Ich bin Schwimmer, Küste

– Spring Break oder Winter Break? Spring Break in Fort Lauderdale – zu empfehlen!

– NFL oder NBA? NFL, wenn man irgendwann die Regeln kennt!

– Spring Semester oder Fall Semester? Spring, der sportliche Höhepunkt lag bei uns im März

– College Bar oder House Party? House Parteey, jeder kennt ja den Film “Project X” Zwinker.

– Thanksgiving oder Ostern? Definitiv Thanksgiving. Jedes Jahr wurde ich von amerikanischen Teammates/Familien eingeladen, super Gastgeber!

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